Mein Pferd hat Kotwasser – was kann ich tun?


Kotwasser Probleme beim Pferd sind fast immer multifaktoriell – eine umsichtige Analyse und Beobachtung ist erforderlich!

 

Mein Pferd hat Kotwasser – was soll ich tun? Dies ist sicherlich eine der häufigsten Fragen, die in einschlägigen Foren und Sozialen Medien an Therapeuten und Tierärzte herangetragen wird. Leider hilft es meist nicht, nur das eine oder andere “Pülverchen” auszuprobieren, was oftmals auch eine teure Lösung mit wenig Nutzen ist.

Um das Problem Kotwasser nachhaltig in den Griff zu bekommen, ist Wissen über die Anatomie und Physiologie des Magen-Darm-Traktes, über Einflüsse der Haltung und Fütterung bis hin zu den Vernetzungen mit dem Training unabdingbar. In diesem Blog findest Du eine erste zielgerichtete Checkliste die Dir hilft, bei Deinem Pferd der Ursache von Kotwasser auf die Spur zu kommen.

Ausserdem findest Du in meiner Gentle Balance Videothek auch Webinar-Aufzeichnungen zum Thema Kotwasser, in denen Du Dir Schritt für Schritt das nötige Wissen aneignen kannst. In diesen Lehrvideos bekommst Du natürlich auch viele praktische Tipps für die Umsetzung im Alltag, von Nahrungsergänzungen bis hin zu manualtherapeutischen Ideen, mit denen Du Dein Pferd zielgerichtet unterstützen kannst.

⇒  Das nächste Live-Webinar zum Thema Dickdarm findet übrigens am Sonntag, 15. August 2021 ab 10 Uhr statt. Anmeldung per Email oder über meine Webseite. Das Video dazu wird im Anschluss ebenfalls in meiner Videothek verfügbar sein.

 


 

Checkpunkt 1:  Magenprobleme erkennen

 

Eine der häufigsten Ursachen für Kotwasser sind Magenprobleme. Viele Pferde – und längst nicht mehr nur Sportpferde, sondern auch zunehmend ein grosser Teil der Freizeitpferde – leiden heute an Magenschleimhautentzündungen bis hin zu Magengeschwüren. Dies führt in den meisten Fällen auch zu Kotwasser, da der Nahrungsbrei zu sauer aus dem Magen in den Darm weitergeschoben wird und so das Darmmilieu und die Darmschleimhaut reizt.

Neben den offensichtlichen Signalen für Magenprobleme wie kolikartige Symptome, hundesitzende Stellung, Flehmen, Zähneknirschen, Leerkauen etc. ist es zudem auch sehr wichtig, die subtileren Signale wahrzunehmen, um schleichende Prozesse zu erkennen. Es lohnt sich, genau zu beobachten und sich Zeit zu nehmen. Bei saisonalen Übergängen, bei Wetterwechsel sind solche Anzeichen oft deutlicher zu sehen:

  • Hochgezogene Nasenlöcher, insbesondere das linke ist verändert zum rechten Nasenloch
  • Leichtes bis mittelgradiges Schmerzgesicht – Körperhaltungen, die auf Schmerzen hindeuten (siehe dazu eine neue Studie aus dem Jahr 2020 – nur in englisch verfügbar)
  • Unterschwellige innere Anspannung
  • Vermehrte Nervosität und Schreckhaftigkeit im Training – gerade z.B. im Gelände
  • Nervosität, Unruhe, Aggression zu oder VOR Futterzeiten
  • Sich nicht mehr so gerne anfassen lassen
  • Erhöhte Sensibilität Gehör
  • Konzentrationsschwierigkeiten / Neues schlecht verarbeiten können
  • Stöhnen beim Misten, Urinieren oder sich hinlegen zum wälzen
  • Gähnen mit halb offenem Maul z.B. in Pausen beim Training oder einfach im Alltag, nach Stresssituationen
  • Probleme im Lendenbereich / ISG
  • etc.

Und sehr wichtig auch die Biomechanik:

  •  Klammer Gang, steif in den Wendungen, nicht mehr gut vorwärts gehen

 


 

Checkpunkt 2:  Stressfaktoren erkennen

 

Eine weitere Hauptursache für Kotwasser ist Stress! Ist der Stressstoffwechsel des Pferdes aktiv – und dies geschieht leider sehr häufig und schnell, da das Pferd ein sog. Stress High Responder ist –  werden 12x mehr Adrenalin und 35x mehr Cortison / Cortisol ausgeschüttet als bei uns Menschen. Für den Magen-Darm-Trakt bedeutet dies v.a. eine starke Verminderung der Durchblutung. Dies führt immer zu einer Störung des Gleichgewichts im Magen-Darm-Trakt und zu vielerlei Problemen wie z.B. der Schädigung der Schleimhaut oder der Zerstörung der Darmflora.

Auch hier gilt es, genau zu beobachten und auch ins Interieur des Pferdes hineinzufühlen. Denn Stressfaktoren sind nicht immer so offensichtlich wie beispielsweise die Baustelle, die neben dem Hof eröffnet wurde und Lärm verursacht, sondern Stressfaktoren sind oft schleichend, versteckt, im Hintergrund unterschwellig. Über die längere, wiederkehrende Belastung führen sie jedoch fast immer zu Kotwasser. Hierbei ist zentral, nicht aus der Sicht des Menschen, sondern aus Sicht eines Pferdes zu denken!

 

Wichtig: Was als Stress empfunden wird ist IMMER individuell!

 

  • Stressfaktoren im Offenstall: Besteht eine Unruhe in der Gruppe? Integrationen?
  • Stressfaktoren im Offenstall: Ist für mein Pferd genügend Platz bei den Laufwegen? Bei den Futterraufen? Bei den Ruheorten?
  • Stressfaktoren in der Haltung: Schläft mein Pferd regelmässig und in Seitenlage?
  • Stressfaktoren in der Haltung: Fühlt sich mein Pferd wohl mit seinen Boxennachbarn?
  • Stressfaktoren durch Krankheiten: Hat mein Pferd unabhängig vom Magen-/Darm Trakt eine Erkrankung? z.B. Allergien? Lungenprobleme?
  • Stressfaktoren Bewegungsapparat: Hat mein Pferd Schmerzen im Bewegungsapparat? z.B. Arthrose? Fühlige Hufe?
  • Stressfaktoren im Training: Ist mein Pferd z.B. nervös beim Ausreiten? Wirkt es immer mal wieder angespannt im Training?
  • Stressfaktoren Futteraufnahme: Ist mein Pferd bei der Futteraufnahme entspannt? Frisst es ruhig, gemütlich? Oder stresst es sich z.B. weil andere Pferde neben ihm fressen oder weil es das Heu aus einem Heunetz, Heu Toy o.ä. zupfen muss? Der Einsatz von Heunetzen, Heuautomaten etc. kann viele Vorteile haben, wenn es um eine dosierte und bedarfsgerechte moderne Fütterung geht. Es gibt jedoch immer wieder Pferde, die auf diese Fütterungspraktiken mit Kotwasser reagieren. Eine kritische Überprüfung und Beobachtung lohnt sich in jedem Fall.

 


 

Checkpunkt 3:  Zusammensetzung der Nahrung

 

Eigentlich selbstverständlich ist die Zusammensetzung der Nahrung ebenfalls ein wichtiger Bestandteil einer Kotwasser-Analyse. Auch hier gilt, das individuelle Pferd zu beurteilen, denn was dem einen Pferd nichts ausmacht bereitet dem anderen unter Umständen Probleme.

Worauf sollte ich bei der Nahrungsanalyse achten?

  • Wie ist die Qualität des Heus / des Strohs?
  • Ist das Heu eher fein oder eher grobstängelig? Bei Pferden mit Kotwasser verschlechtert grobes Heu oft die Problematik. Ein Mischen mit feinerem Heu (Achtung: Eiweiss- / Zucker-Gehalt in Betracht ziehen) kann oft helfen.
  • Ist es möglich, dass (phasenweise) zu viel Eiweiss ins Pferd kommt? Gras (je nach Saison und Bewuchs der Weide), Zusatzfuttermittel, Müesli?
  • Ist es möglich, dass (phasenweise) zu viel Zucker ins Pferd kommt? Gras (je nach Saison und Bewuchs der Weide), Zusatzfuttermittel, Müesli?
  • Ist langsam genug angeweidet worden?
  • Ist langsam genug abgeweidet worden?
  • Was geschieht an Tagen, an denen die Pferde wegen des Wetters (Boden) nicht auf die Weide kommen? Die Darmflora des Pferdes ist darauf angewiesen, dass die Grasmenge jeden Tag ähnlich ist resp. sich nur langsam erhöht oder wieder erniedrigt, ansonsten entsteht immer wieder ein Massensterben der Mikroflora im Darm, das zu Kotwasser oder im schlimmeren Fall zu Koliken und Hufrehe führen kann. Sprich an Tagen ohne Weidegang unbedingt Gras zufüttern (Handgrasen etc.), damit die Mikroflora des Darms, die für die Grasverdauung zuständig ist, immer etwas zu tun hat.

 


 

Training bei Kotwasser-Patienten:

 

Beim Training von Kotwasser-Patienten kannst Du auf folgendes achten:

  • Darauf achten, dass das Pferd mit angehobenem Brustkorb (aktivierter M. serratus ventralis) läuft. Dies fördert eine gute Durchblutung des Magen-/Darmtraktes.
  • In deinem Trainingsprogramm immer wieder Faszientraining integrieren

 

Aber auch im Alltag kannst Du Gutes tun:

  • Regelmässiges Faszien lösen v.a. im Genick, an der Kaumuskulatur, Hals, Rücken mittels der sanften Methode der Effleurage. Siehe dazu mein Gratisvideo

 


 

Da es sich beim Kotwasser oft um ein vielschichtiges Problem handelt, macht es immer Sinn, ergänzend einen Tierarzt/Therapeut zu Rate zu ziehen und gemeinsam einen Therapie-Plan auszuarbeiten.


Wichtig: Handelt es sich nicht nur um Kotwasser, sondern hat das Pferd auch Durchfall IMMER und sofort den Rat eines Tierarztes einholen, da Durchfall beim Pferd sehr schnell lebensbedrohlich werden kann!

 


 

Falls Dich ausserdem das Thema «Magen / Magenprobleme / Magengeschwüre» des Pferdes interessiert, findest Du in der Gentle Balance Videothek informative, ausführliche Lehrvideos von Sonja Bucher’s Gentle Balance mit vielen praxisbezogenen Tipps!