Wie erkenne ich Rückenschmerzen beim Pferd?

Die 3-Punkte-Checkliste für die Beurteilung als PferdebesitzerIn.

 

Rückenschmerzen sind leider auch beim Pferd weit verbreitet. Die Ursachen hierfür können sehr vielschichtig sein und reichen von Schmerzen in den inneren Organen (oft Magen oder Darmprobleme) über diverse Probleme im Bewegungsapparat (z.B. Arthrosen in den Gliedmassen) bis hin zu Fühligkeit der Hufe.

Doch wie erkenne ich, ob mein Pferd Rückenprobleme hat?

 

Checkpunkt 1:  Das Pferd im Alltag gut beobachten

 

Das Pferd im Alltag immer mal wieder aufmerksam beobachten. Sich z.B. einmal für eine Weile auf die Wiese oder in den Offenstall setzen. Dies ist in vielerlei Hinsicht für das Wohlergehen des Pferdes nützlich. Um Hinweise zu sammeln, ob das eigene Pferd an Rückenproblemen leidet, kann man sich v.a. auf Folgendes fokussieren:

 

  • Wie legt es sich hin zum Wälzen? Geschmeidig? Steif? Langsam? Plumpsend? Kommt es beim Wälzen von einer Seite auf die andere?
  • Wie wendet es (z.B. um die Futterraufe etc.)? Sieht der Rücken dabei weich und beweglich aus oder eher steif?
  • Wie läuft es los, wie hält es an? Wirkt das «geschmeidig über den Rücken» oder eher zackelig, eckig, verspannt?
  • Wie belastet es die Gliedmassen?
  • Wie sieht die Muskel- /Faszienspannung im Rücken aus?
  • Welche Haltung nimmt es beim Gras oder Heu fressen ein? Beobachte ich etwas ungewöhnliches?
  • Wie ist sein Verhalten gegenüber seinen Pferdekollegen? Gibt es (schleichende) Veränderungen z.B. hin zu giftigem oder aggressivem Verhalten?
  • Kommt es gerne zu mir, wenn ich es auf der Weide oder in der Box für die gemeinsame Arbeit hole?

Und sehr wichtig:

  •  Wie schätze ich seinen emotionalen Zustand ein? Sein Interieur?

 

Checkpunkt 2:  Das Pferd bei der Arbeit beobachten

 

  • Wie verhält sich das Pferd beim Satteln und Zäumen?
  • Wie verhält es sich, wenn ich mit dem Sattel auf das Pferd zulaufe? Verändert es die Atmung? Den Augenausdruck? Die Mimik?
  • Wie verhält es sich beim Aufsteigen? Bleibt der Rücken schön weich oben oder verspannt er sich oder «sackt» sogar ein wenig nach unten?
  • Wie verhält es sich in Übergängen, Seitengängen? Gibt es da Veränderungen? Steifigkeiten? Kopf hochnehmen? Sich auf den Zügel legen?

 

Checkpunkt 3:  Regelmässiges Abtasten des Rückens

 

Ein regelmässiges (2-3x wöchentliches) bewusstes Abtasten des Rückens vor und nach der Arbeit gibt dem aufmerksamen PferdebesitzerIn wertvolle Hinweise über die Entwicklung des Rückens seines Pferdes.

Das Abtasten wird mit sanftem Druck von 10-30 Gramm (!) ausgeführt. Wieviel das ist, kann man zu Hause mit einer Küchenwaage testen und ggf. üben. Oft tendiert man dazu, beim Abtasten zu fest zu drücken, weil man denkt, dass man sonst nichts fühlt. Das Umgekehrte ist jedoch der Fall. Es braucht einfach einen Moment des Übens, bis sich die Finger an die «Aufnahme», das Hinhören ins Gewebe gewöhnt haben.

Man beginnt im Bereich des Widerristes und tastet den Rücken links und rechts neben der Wirbelsäule bis und mit der Kruppe ab. Zum Schluss lohnt es sich, auch die Muskulatur und die Faszien des Halses abzutasten, denn sie sind eng mit den Rückenmuskeln -faszien verbunden und beeinflussen sich gegenseitig.

Was beobachte ich?

  • Wärme – Kälte
  • Schwellungen, Knubbel etc.
  • Auffälligkeiten im Fell
  • Wie weich oder wie hart fühlt sich die Muskulatur an?
  • Ist die Muskulatur regelmässig oder unregelmässig in der Struktur?
  • Test Faszien: Dazu versucht man, das «Fell», sprich die oberflächliche Faszie über dem Muskel zu verschieben.
    Geht das leicht auf alle Seiten? Prima, die Faszie ist dynamisch und voll funktionstüchtig.
    Bleibe ich mit den Fingern “kleben”? Die Faszie ist verklebt und sollte gelöst werden. Siehe dazu mein kurzes Gratis-Lehrvideo (Link).

 


 

Wichtig: Die Reaktionen des Pferdes genau beobachten!

 

Bei allen 3 Checkpunkten ist es wichtig, sehr genau die Reaktionen des Pferdes zu beobachten:

Die grossen Signale verpasst man kaum:

  • Legt das Pferd die Ohren an?
  • Schlägt das Pferd mit dem Kopf?
  • Beisst das Pferd?
  • Schlägt das Pferd oder hebt es die Hinterbeine an?
  • Stampft das Pferd mit den Vorderbeinen?
  • Schlägt das Pferd mit dem Schweif?
  • Läuft das Pferd weg?

 

Aber genauso wichtig ist es, die kleinen und kleinsten Signale zu beobachten!

Diese werden leider oftmals «übersehen». Die Pferde leiden dann still und stumm.

Meine Erfahrung mit Pferden zeigt:  Viele Pferde haben schon lange Rückenschmerzen, zeigen es aber nur minim in ihrem Ausdruck.

Die grossen Signale wie Beissen oder Schlagen stehen für das Pferd am Ende einer langen Eskalationskaskade. Das Pferd hat schon seit längerem kleinere Signale gesendet, die jedoch übersehen wurden. Leider sind bei einer zu späten Wahrnehmung und wenn das Pferd die “grossen”, bekannten Signale zeigt auch die Schmerzen und die Schäden meistens bereits schlimm und es ist deutlich schwieriger, das Pferd erfolgreich zu behandeln und seine Schmerzen zu lindern.

Aus diesem Grund ist es äusserst wichtig, auch schon die kleinen Signale wahrzunehmen. So können Rückenprobleme bereits in ihren Anfängen erkannt und sinnvoll behandelt werden!

Hier braucht es aber auch viel Einfühlungsvermögen und eine gute Beobachtungsgabe, um fair mit seinem Pferd zu sein.

 

Folgende “feine” Signale gilt es zu beobachten, denn sie können bereits früh auf Schmerzen hinweisen:

  • Blinzeln
  • Augenausdruck
  • Spannung der Kiefermuskulatur
  • Kleine Lippenbewegungen / Anspannung
  • Form der Nasenlöcher
  • Ungewöhnliche Atmung
  • Spannung im gesamten Körper
  • Gemütszustand / Interieur des Pferdes

 

Vermute ich als PferdebesitzerIn bei meinem Pferd Rückenprobleme, dann macht es in jedem Fall Sinn, frühzeitig einen Tierarzt oder Therapeuten beizuziehen.

Ebenso macht es immer Sinn, ergänzend zu den Behandlungen mit Tierarzt/Therapeut und ReitlehrerIn/TrainerIn einen soliden Reha-Trainingsplan zu erarbeiten.

 


 

Falls Dich das Thema «über den Rücken gehen» des Pferdes interessiert, findest Du unter folgendem Link ein informatives, ausführliches Lehrvideo von Sonja Bucher’s Gentle Balance mit vielen praxisbezogenen Tipps: https://vimeo.com/ondemand/ueberdenrueckengehen

 

Und auch die Abteilung Sportmedizin des Tierspitals Zürich hat einen kurzen Info-Film mit den wichtigsten Anhaltspunkten zum Thema auf YouTube veröffentlicht: https://tube.switch.ch/videos/24c302fb